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UX-Research Projekt

Erforschung des Usability-Potenzials eines Formular-Design-Prinzips im Exploratory-sequential-mixed-methode

Projektübersicht

Herausforderung

Im Rahmen der Digitalisierungsoffensive "Onlinezugangsgesetz" des deutschen Staates besteht die Möglichkeit, die Usability von Formularen zu verbessern, wenn diese digital umgesetzt werden. Dabei könnte das neue Formulardesignprinzip "One Thing per Page" (OTPP) eine bedeutende Rolle spielen. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Usability-bezogenen Potenzials des Designprinzips "One Thing per Page" ist daher nicht nur zeitgemäß, sondern auch äußerst zweckdienlich.

Ziele

  • Weitgehende Revision zur Formular-Usability und Analyse des Wissensstands zum "One Thing per Page" Formulardesignprinzip nach Caroline Jarrett.

  • Formative (Qualitative) Untersuchung mittels aufgabenbasiertem Think-Aloud, um die ideale OTPP-Formularaufteilung zu erreichen

  • Summative (Quantitative) Online-Studie im A/B Test-Design

Probleme

  • Zumeist beinhalten Formulare der deutschen Regierung eine große Anzahl an Fragen.

  • Formulare werden meist als störend wahrgenommen.

  • Das Formulardesign ist auf DIN A4 Blätter ausgelegt, obwohl digitalisierte Formulare deutlich mehr Potenzial bieten.

Projektumfang

  • Formular Usability

  • UUX-Research

  • Exploratory sequential mixed design

Dauer

  • September 2022 - März 2023

Rolle

  • Solo Researcher

Vorgehen

01.

Literaturrecherche

02.

Qualitative Vorstudie

03.

Quantitative Experiment 

04.

Ergebnisse

05.

Interpretation

01. Literaturrecherche

Einer umfassenden Literaturrecherche vor der eigenen Forschungsarbeit ist unerlässlich, denn es eröffnet einem bewährte Methoden tiefergehend zu verstehen, den aktuellen Forschungsstand zu erfassen und damit die Qualität und Relevanz der eigenen Arbeit zu steigern.
Formulare werden oftmals als ein Hindernis wahrgenommen. Denn Menschen wollen nur den begonnen Prozess der Datenübertragung so einfach, schnell und sicher wie irgend möglich abschließen
(Bargas-Avila, et al., 2011)
Besonders im Austausch zwischen Staat und Bürger:innen kommt dem Formular eine zentrale Rolle zu (Klischewski, 2006; Axelsson & Ventura, 2007; Sourouni et al. 2008;
Becker et al. 2012)
Bedeutungsvolle Studien zeigen auf, dass digitale Formulare einen substanziellen Einfluss auf die Wahrnehmung der Bürger bezüglich der Qualität des eGovernment haben
(Papadomichelaki &
Mentzas 2012;
Veeramootoo et al. 2018)
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An dieser Stelle besteht
im deutschen Staat
 dringender Handlungsbedarf.

02. Qualitative Vorstudie

Die Vorstudie zielte darauf ab, das Beispielformular mit anfänglich 136 Einzelfragen auf je einer eigenen Seite durch qualitative Datensammlung in ein OTPP-Design zu überführen.

Dies geschah mittels eines formativen Usability-Tests über mehrere Iterationsrunden hinweg. Dabei wurde die Methodik Think-aloud bei der Aufgabenbearbeitung verwendet.

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Zur idealen Aufteilung im Sinne eines OTPP-Formulars waren die wichtigsten Erkenntnisse:

Persönliche und leicht abrufbare Informationen sollten auf derselben Seite stehen. Dies bezog sich oft auf Formularfelder wie "Straße und Hausnummer", "Ort und Postleitzahl" oder "Vor- und Nachname".

Informationen, die stets nachgeschlagen werden müssen, wie bspw. die SteuerID oder Fragen zu Schlagwörtern ohne direkte inhaltliche Ergänzung, wie zum Beispiel die Staatsangehörigkeit, können eigenständig auf einer eigenen Seite stehen.

Besonders wurde klar dass die ideale Formularaufteilung je nach Situation und Nutzerpräferenzen variiert. Eine formativ Usability Test ist also unerlässlich für die Gestaltung eines OTPP-Formulars. ​

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Die Teilnehmenden bewerteten das neue OTPP-Layout größtenteils positiv:

„Es ist wesentlich überschaubarer und kompakter, da „man jede einzelne Frage im Blick hat, ohne dass zig Kästchen […] zu viel von einem verlangen“.

„Der Ausfüllprozess [sei] entspannter als sonst“, da „nie das Gefühl aufkommt, zu viel auf einmal vor sich zu haben“.

Andere Formulartypen „mit großen Formularblättern schrecken ab“ oder wirken sogar stressreizend, was sich dann in einem Gefühl von Überforderung oder Ärger niederschlagen kann.

03. Quantitative Experiment

Die Studie vergleicht in einem Online-Experiment das OTPP-Formular mit dem derzeit verwendeten Formulartyp. Der Vergleich findet hinsichtlich einzelner Messgrößen der Usability, ebenso wie die subjektiv wahrgenommene Beanspruchung statt. Die Daten werden durch verschiedene Leistungsmetriken sowie spezielle Fragebögen erfasst. 

Unabhängige Variable

In meinem Experiment wurde eine zweistufige unabhängige Variable untersucht, die sich auf die Differenzierung der Formularlayouts bezog. Die systematische Variation und randomisierte Ausgabe an die Teilnehmenden ermöglichte eine Analyse und Bewertung der Auswirkungen der verschiedener Gestaltungsansätze. 

Abhängige Variable

1

Effektivität (nach DIN EN ISO

9241-11) beschreibt wie genau und vollständig Nutzende ein bestimmtes Ziel erreichen. Diese wird in der Studie anhand der Abbruchrate und der Anzahl der gemachten Fehler gemessen.

2

Effizienz (nach DIN EN ISO 9241-11) beschreibt das Verhältnis des Ergebnisses zu den genutzten Ressourcen betrachtet und in der Studie durch Zeiteffizienz gemessen.

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3

Zufriedenstellung (nach DIN EN ISO 9241-11) beschreibt das Ausmaß, der physischen, kognitiven und emotionalen Reaktionen der Benutzenden und wird in der Studie mit dem USE-Fragebogen gemessen

4

Beanspruchung (gemäß der Cogntive Load Theory nach J. Sweller und P. Chandler) beschreibt die Auslastung des Arbeitsgedächtnisses und wird in der Studie mit dem TLX-Fragebogen gemessen.

A-Priori Powerberechnung

Die Teststärke in Abhängigkeit der Teilnehmer:innenzahl bei 2 Gruppen, 4 Messungen, a = 0.05, Effektstärke f = 0.25 ergab

n = 44 Personen

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04. Ergebnisse

Die Ergebnisse der Multivariate Analyse der Varianz (MANOVA) wurden signifikant auf

F(1,64) = 3,77; Wilks λ = .845; partielles η² = .056; p = .015 *

und deuten somit auf einen Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängigen Variablen hin.

Nach dem Post-Hoc-Test der Varianzanalyse des Gesamtmodells ist zu erkennen, dass das  OTPP-Layout im Vergleich zu anderen Formularaufteilungen

  • die Effektivität & die Effizienz beibehält.

  • Ebenfalls bleibt die subjektive Beanspruchung beinahe konstant.

  • Die Zufriedenstellung der Nutzenden nimmt aber signifikant zu.

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Die Darstellung zeigt die Ergebnisse der signifikant verbesserten Zufriedenstellung anhand des Zufriedenstellungsmoduls des USE-Fragebogens geordnet nach Formulartyp.

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OTPP-Layout           bisherige Formularaufteilung

Punkte des USE-Fragebogens

Über die Forschungsfrage hinausgehend konnte ein positiver Zusammenhang der Vorerfahrung & der im Test empfundenen Zufriedenstellung beim OTPP-Formular festgestellt werden.

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Punkte des USE-Fragebogens

Vorerfahrung (Anzahl der zuvor ausgefüllten Formulare)

Daten der linearen Regression:

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Die resultierende Gleichung lautet: y = -1,0307 + 0,0323x, wobei y den Zufriedenheitswert repräsentiert und x die Anzahl der ausgefüllten Formularfelder darstellt.

05. Interpretation

Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass das OTPP-Prinzip eine wirksame Alternative zu den bisher verwendeten Formulargestaltungsprinzipien darstellt. Insbesondere bei Formularen, in denen die Zufriedenheit der Ausfüllenden im Fokus steht, erweist sich das OTPP-Prinzip als vorteilhaft. Dies trifft auf Kundenumfragen, Marktforschungsformulare, Feedbackformulare sowie staatliche Dokumente zu. Wie zu Beginn betont, liegt hier ein beträchtliches Potenzial zur Steigerung der allgemeinen Zufriedenheit der Bürger im staatlichen Umfeld.

Nächste Schritte

Die Studie hat auch gezeigt, dass bei der Bearbeitung von Formularen möglicherweise mehr Schwierigkeiten auftreten, als durch eine bloße Änderung des Layouts gelöst werden können. Zukünftige Forschungen, insbesondere im Bereich KI-gestützter automatisierter Ausfülllösungen, sind daher von großer Bedeutung. Dies verringert nicht nur den Aufwand, sondern trägt auch zu einer insgesamt zufriedenstellenderen Erfahrung bei.

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